Baukulturelle Werte im ländlichen Raum sind Zeugnis einer über die Jahrhunderte entstandenen und gepflegten Alltagskultur. Eine entscheidende Rolle für die Entwicklung regional- und ortstypischer Bauweisen sowie der Herausbildung spezifischer Siedlungsstrukturen spielten neben klimatischen und topografischen Bedingungen u.a. regional vorkommende Baumaterialien, wirtschaftliche Erfordernisse sowie die vorherrschenden Produktionsweisen. In Funktion und Gestalt Bewährtes wurde über Generationen vererbt.
In einer Vielzahl der untersuchten sächsischen Dörfer sind die charakteristischen Siedlungsstrukturen noch erhalten. Die Grundlagen für deren Schutz, aber auch für den Erhalt der wertvollen orts- und regionaltypischen baukulturellen Besonderheiten sollten über geeignete Planungsinstrumente geschaffen werden.
(1) Einfacher Bebauungsplan
Eine Möglichkeit des Schutzes der innerörtlichen Freiraumbereiche und damit auch des Schutzes von Dorfstrukturen stellt die Aufstellung eines Einfachen Bebauungsplanes dar. Durch dieses Planungsinstrument werden Bebauungsgrenzen im Innenbereich klar definiert und Vorgaben zur Ausrichtung der Gebäude festgelegt.
Die sächsischen Waldhufendörfer sind gekennzeichnet durch innerörtliche, begrünte Freiraumbereiche wie Bachauen, Wiesen- und Weideflächen. Insbesondere in der Nähe von Städten bzw. verdichteten Bereichen im ländlichen Raum kommt es nicht selten zur Bebauung dieser Bereiche, was im Falle der Auenbereiche mit negativen Konsequenzen für den Hochwasserschutz einhergeht. Dem Neubau in sensiblen Bereichen stehen gleichzeitig verlassene, dem Verfall Preis gegebene Gehöfte in unmittelbarer Nähe gegenüber.
Der Einfache Bebauungsplan sollte mit umfassender Bürgerbeteiligung aufgestellt werden.
(2) Abwägung von Außenbereichsausgliederungen
Wie an anderer Stelle näher ausgeführt, sollte die differenzierte Entwicklung der Ortskerne baulichen Erweiterungen am Ortsrand unbedingt vorgezogen werden.
Eine abzuwägende, aber nur im Einzelfall anzuwendende Möglichkeit des Schutzes von Ortsstrukturen, ist die Ausgliederung von 3- und 4- Seithöfen in den Außenbereich des Flächennutzungsplanes. Hierfür muss jedoch die Voraussetzung gegeben sein, dass kein Bebauungszusammenhang zur inneren Bebauung besteht. Dies ist bei einigen sächsischen Dörfern durch geologische Gegebenheiten der Fall (Bsp.: Frankenau 3-Seithöfe stehen an Hangkante, Abstand zur inneren Bebauung 200- 300 m).
In den ausgegliederten Bebauungsbereichen ist ein Abriss von Gebäuden für einen folgenden Neubau nicht möglich.
(3) Gestaltungsempfehlungen und Gestaltungssatzung
Im ländlichen Raum ist die ortsgestalterische Qualität nicht nur das Ergebnis der Arbeit von Architekten und Planern, sondern vor allem das Resultat des alltäglichen Wirkens der Menschen vor Ort. Deshalb ist die stetige Sensibilisierung für baukulturelle Werte, für das Erkennen regionaltypischer Elemente und charaktergebender baulicher Details eine wesentliche Aufgabe.
Entsprechende Gestaltungsempfehlungen, die von Fachleuten zusammen mit den Akteuren vor Ort erarbeitet werden sollten, sind geeignet, um die Motivation zu baukulturellem Handeln zu steigern sowie adäquate Maßnahmen zum Erhalt der Baukultur zu befördern. Besonders bedeutsam ist die Kommunikation der Gestaltungsempfehlungen. Geeignete Mittel und Wege hierfür sind Beratungsangebote für Bauwillige durch Architekten, Themenvorträge, Exkursionen, Wettbewerbe, Schulprojekte oder auch Dorfspaziergänge. In der Praxis bewährt haben sich insbesondere Gestaltungsfibeln für Bauwillige. Mit diesen sollten in anschaulicher Form orts- und regionaltypische bauliche Besonderheiten und wesentliche Gestaltungsmerkmale (z.B. Materialien, Farbgebung, Freiraumgestaltung) dargestellt werden.
Der Wille zur Festschreibung einer Gestaltungssatzung mittels Beschluss sollte aus dem Dorf selbst kommen. Es muss erkannt werden, dass eine scheinbare Beschränkung des Einzelnen in der Summe dem Dorf als Ganzem zu einem baukulturellen Mehrwert verhilft und somit letztendlich wieder jeder Einzelne profitiert.
(4) Erhaltungssatzung
Erhaltenswerte Ortskernbereiche oder kulturhistorisch wertvolle Ensembles können per Satzung unabhängig vom Denkmalschutz vor nachteiligen Veränderungen geschützt und gesichert werden.
Die Erhaltungssatzung dient der Sicherung von baukulturellen Werten und kann mit einer Gestaltungssatzung gekoppelt werden. Zur Aufstellung einer Erhaltungssatzung bedarf es einer genauen Definition der „städtebaulichen Eigenart“. Es muss klar definiert werden, was das Charakteristische der Ortsstruktur ist, wo die Alleinstellungsmerkmale und Besonderheiten von Gebäuden, Baudetails, Grundstückseinfriedungen und innerörtlichen Freiraumbereichen liegen.
Das Wissen um die baukulturellen Werte durch die Menschen vor Ort garantiert den Erfolg der Umsetzung einer Satzung. Die Entwicklung einer Erhaltungssatzung muss gemeinsam mit der Dorfgemeinschaft erfolgen.
(5) Werbesatzungen
Durch überdimensionierte, nicht im Kontext zur Bebauung stehende, gestalterisch mangelhafte Werbetafeln und -anlagen wird das Ortsbild nicht selten sehr negativ beeinträchtigt. Gut gestaltete Lösungen tragen entscheidend zu einem Mehr an Baukultur in den Dörfern bei. Das Ortsbild profitiert insgesamt vom einheitlichen Erscheinungsbild.
Mittels Werbesatzungen kann qualitativ und quantitativ auf die Außenwerbung positiv Einfluss genommen werden. So können z.B. die zulässigen Flächen (Anordnung), die Größen und ggf. auch die Anmutung bestimmt werden.
Sinnvoll ist die Erstellung der Werbesatzung in Zusammenarbeit mit den örtlichen Akteuren. So werden diese zum einen für das Thema sensibilisiert und zum anderen kann durch die direkte Mitarbeit eine hohe Akzeptanz der Regelungen erzielt werden.
Anzustreben ist die Bildung von Werbegemeinschaften. Für die einzelnen Mitglieder entsteht ein wirtschaftlicher Vorteil, z.B. aufgrund von höheren Auflagen oder der Kostenteilung beim Grundlayout.